Ein Jahrhundert Wohnkultur & Gemeinschaft

Die GBMZ feiert ihr 100-jähriges Jubiläum - ein stolzer Rückblick des Geschäftsleiters Matthias Lüthi. Im Interview spricht er über Wendepunkte, innovative Schritte im Wohnungsbau und die Rolle der GBMZ in Sachen Nachhaltigkeit und Biodiversität.

gbmz genossenschaft - Katarina Wietlisbach

Katarina Wietlisbach

April 2024

gbmz genossenschaft - Siedlungslokal

Welche persönliche Bedeutung hat das 100-jährige Jubiläum der GBMZ für dich als Geschäftsleiter?


Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich in den letzten 14 Jahren einen Beitrag zur Geschichte der GBMZ leisten konnte und nun mit meinem Team das Jubiläumsjahr planen darf. Ich bin allen Beteiligten dankbar für ihren grossen Einsatz vor und während dem Jubiläumsjahr. Wir sind seit langem intensiv mit den Vorbereitungsarbeiten beschäftigt und es gibt immer noch viel zu tun.

Natürlich freue ich mich auf die vielfältigen Events, die im Jubiläumsjahr geplant sind. Das absolute Highlight wird zweifellos das grosse Jubiläumsfest am 31. August 2024 sein, bei dem auch der Jubiläumsfilm seine Uraufführung feiern wird. Diesem Ereignis sehe ich mit besonderer Vorfreude entgegen.


gbmz genossenschaft - Matthias Lüthi

Matthias Lüthi


Die GBMZ hat sich in 100 Jahren stark weiterentwickelt. Gibt es eine spezielle Veränderung oder einen Wendepunkt in der Geschichte der Genossenschaft, der dich besonders stolz macht?


Wir können stolz auf die Gründungsmitglieder der GBMZ sein, die trotz wirtschaftlicher Herausforderungen den Mut aufbrachten, die Genossenschaft ins Leben zu rufen. Ihr Ziel war es, preiswerten Wohnraum für Kleinfamilien zu schaffen und dadurch die soziale Integration sowie die gesellschaftlichen Aufstiegschancen ihrer Mitglieder zu fördern. Ein entscheidender Wendepunkt ereignete sich im Jahr 1932, als aus der Unternehmer-Baugenossenschaft eine Bau- und Mietergenossenschaft wurde. Die Stadt tolerierte nicht länger finanzielle Vorteile der am Genossenschaftskapital beteiligten Unternehmen durch die gegenseitige Vergabe von Bauaufträgen. Dieser Schritt markierte eine klare Veränderung in unserem Ansatz.

Ein weiteres bedeutendes Ereignis war zweifellos die ausserordentliche Generalversammlung vom 24. Oktober 2000. Auf dieser Versammlung wurde einem Kredit von 23 Mio. Franken für die Siedlung 'Neunbrunnen' in Zürich-Seebach zugestimmt. Dies läutete die erste Wachstumsphase nach 70 Jahren Stagnation ein. Im Jahr 1932 war die GBMZ mit 665 Wohnungen noch die zweitgrösste Baugenossenschaft, hinter der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich (ABZ), die damals 1'433 Wohnungen hatte. Heute zählt die GBMZ nicht mehr zu den ganz Grossen und hat im Vergleich zur ABZ (aktuell 5’086 Wohnungen) nur eine begrenzte Entwicklung erfahren.

Während meiner Tätigkeit bei der GBMZ sind die Preise für Bauland und bestehende Liegenschaften regelrecht explodiert, dennoch konnten wir 273 weitere Wohnungen bauen oder erwerben. Ich hege die Hoffnung, dass die GBMZ auch in Zukunft konsequent daran arbeiten wird, weiteren bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Angesichts der aktuellen Wohnungsknappheit in der Stadt Zürich ist dies von entscheidender Bedeutung.


Welche Rolle spielen deiner Meinung nach die Werte der Gemeinschaft und Solidarität in der Geschichte der GBMZ?


Die Werte der Gemeinschaft und Solidarität spielen eine zentrale und historisch bedeutsame Rolle in der Geschichte der GBMZ. Diese Werte sind das Fundament, auf dem unsere Baugenossenschaft gegründet wurde und bis heute besteht.

Der Verzicht auf Profit ermöglicht es unseren Mitgliedern gemeinsam Kapital bereitzustellen und auf dieser Grundlage Wohnungen zu bauen oder zu erwerben. Dieser gemeinschaftliche Ansatz ermöglicht es, Wohnraum für neue Mitglieder zu schaffen, der viel erschwinglicher ist als auf dem freien Markt.

Wir ermöglichen es Menschen, die sich sonst keinen Wohnraum leisten könnten, von den Vorteilen des gemeinschaftlichen Wohnens zu profitieren und sind geprägt von der Idee, dass Wohnen ein grundlegendes Recht ist und dass gemeinschaftliches Handeln und Solidarität die besten Wege sind, um dieses Recht zu gewährleisten.


Welche Innovationen oder Verbesserungen sind besonders hervorzuheben?


In den letzten Jahren haben wir innovative Schritte unternommen, um auf die steigende Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum so gut wie möglich zu reagieren. Die Siedlungen 'Klee' und 'Manegg' sind Beispiele dafür. Mit dem geplanten Ersatzneubau der Siedlung 'Stüdli' setzen wir diese Strategie fort, mit dem Ziel, in naher Zukunft hochwertige und dennoch erschwingliche Wohnungen für Familien sowie barrierefreie Wohnungen für ältere Menschen im Hard-Quartier zur Verfügung zu stellen.

Im Jahr 2002 wurde das erste Siedlungslokal in der damals neu errichteten Siedlung 'Neunbrunnen' eröffnet. Heute verfügen wir über fünf verschiedene Lokale, die vielfältig genutzt werden. Sie dienen als Treffpunkt für verschiedene Veranstaltungen und eröffnen unseren Mitgliedern und dem Quartier die Möglichkeit, nicht nur gemeinsam zu wohnen, sondern auch einen Teil ihrer Freizeit in einer lebendigen und sozialen Gemeinschaft zu gestalten.


Wie plant die GBMZ ihre Rolle in Bezug auf die Förderung von Nachhaltigkeit und Biodiversität in der Wohn- und Baugemeinschaft in den kommenden Jahren?


Nachhaltigkeit und Biodiversität sind zentrale Anliegen und fester Bestandteil unserer strategischen Planung. Die Umsetzung erfolgt jedoch schrittweise, wobei wir stets auch die Kosten im Auge behalten.


Nachhaltigkeit

Unser Siedlungsportfolio weist in Bezug auf die Nachhaltigkeit erhebliche Unterschiede auf. Auf der einen Seite haben wir sechs Siedlungen, die zwischen 1925 und 1932 errichtet wurden. Diese Siedlungen weisen eine schlechte Energiebilanz auf, da sie immer noch mit Erdgas beheizt werden. Obwohl wir den Energieverbrauch in diesen Siedlungen in den letzten zehn Jahren um 20 bis 40 Prozent reduzieren konnten, bleibt die ökologische Bilanz weiterhin problematisch. Die Lösung für dieses Problem wird erst die Einführung des geplanten Wärmeverbunds der Stadt Zürich bringen, der zu 80 Prozent erneuerbare Energien für die Wärmeerzeugung nutzt.

Im Gegensatz dazu haben wir unsere neueste und umweltfreundlichste Siedlung 'Manegg', die Teil der 'Greencity' ist, dem ersten 2000-Watt-Areal der Schweiz. Diese Siedlung zeigt, wohin die Reise geht, wenn es um klimafreundliche Energielösungen geht.

Der Vorstandsbeschluss, die Siedlungen 'Feld' und 'Zypressen' für weitere 40 Jahre zu erhalten, war ein klares Bekenntnis zur Nachhaltigkeit und zur langfristigen Sicherung dieser kostengünstigen Wohnungen.

Im Gegensatz dazu planen wir den Ersatzneubau 'Stüdli', der moderne Wohnungen mit zeitgemässem Komfort bietet, darunter Wohnungslüftungen, die die Wohnqualität an der Hohlstrasse erheblich verbessern. Die Siedlung wird den neuesten Energiestandards entsprechen und durch den ewz-Wärmeverbund mit grüner Energie versorgt.


Sonnenenergie

Seit vielen Jahren setzen wir Sonnenenergie zur Erzeugung von Warmwasser und zum Heizen ein. Unsere grösste Anlage befindet sich auf dem Flachdach der Siedlung 'Klee'. Seit dem Jahr 2017 sind wir auch Stromproduzenten. In diesem Jahr errichten wir bereits die fünfte Anlage auf dem Dach der Siedlung 'Suteracher', weitere werden folgen. Die jährliche Gesamtproduktion der bestehenden Anlagen beträgt etwa 450’000 Kilowattstunden pro Jahr, was dem Energiebedarf von etwa 150 Haushalten mit drei Personen entspricht.


Biodiversität

Vor drei Jahren wurde der Innenhof der Siedlung 'Engel' unter der engagierten Leitung einer Gruppe von Mieter:innen, einer ökologischen und klimafreundlichen Umgestaltung unterzogen. Zusätzlich wurde ein Teil der Fassade mit verschiedenen Kletterpflanzen begrünt.

Die Innenhöfe der Siedlungen 'Zypressen' und 'Feld' sind nach der Fassadensanierung komplett umgestaltet worden, mit dem Fokus auf naturnahe Bepflanzung, Biodiversität, Hitzeminderung und Erneuerung des Spielangebots. Die Bewohner:innen wurden aktiv in den Gestaltungsprozess miteinbezogen. Um die Ideen und Fragen der Bewohnerschaft aufzunehmen, haben die GBMZ und das Landschaftsarchitekturbüro 'planikum' mehrere Gesprächsrunden organisiert. Das Ergebnis ist beeindruckend: Die neu gestalteten Innenhöfe mit ihrer naturnahen Bepflanzung bieten eine deutlich verbesserte Aufenthaltsqualität im Vergleich zu früher.

In den kommenden Jahren werden wir uns darauf konzentrieren, die Aussenbereiche in all unseren Siedlungen aufzuwerten, um den Anforderungen an den Schutz der Biodiversität und der Reduzierung von Hitze gerecht zu werden.